Alle haben mich gehasst
Mit gesenktem Kopf läuft Claudia die alte Strasse entlang, die ihr täglicher Nachhauseweg ist. Die 13-jährige kommt gerade aus der Schule. Wieder einmal ist sie gemobbt worden. Ihre Mitschüler schikanieren sie jeden Tag wegen ihrem Hintergrund. Claudia kommt aus tiefer Armut und kann kaum lesen und schreiben.
Claudia lebt mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern in einem alten Haus, das ihren Grosseltern gehört. Hier gibt es keine Küche, kein fliessendes Wasser, keine Gasversorgung und kein Abwassersystem. Der Vater sitzt wegen häuslicher Gewalt im Gefängnis. Ihre Mutter arbeitet in einem landwirtschaftlichen Betrieb mit, dort verdient sie sehr wenig. Die Probleme zu Hause und die schlechte Behandlung in der Schule führen zu tiefen Depressionen. Claudia ist kurz davor, die Schule abzubrechen. Sie zittert, wenn sie von ihren Erlebnissen berichtet.
Doch dann erhält sie die Möglichkeit, auf eine andere Schule in der Region zu wechseln. Dort fühlt sie sich sicherer und sichtlich wohler.
In einer Pause begegnet sie ihrer Cousine, die ihr mit leuchtenden Augen erzählt, dass sie regelmässig nach der Schule ein Tageszentrum in der nahegelegenen Stadt Nisporeni besucht. Hier erhalten etwa 30 Kinder aus armen Verhältnissen Hilfe bei den Hausaufgaben, eine warme Mahlzeit und nehmen an gemeinsamen Spielen teil. Der Cousine gefällt es so gut, dass sie Claudia direkt einlädt, mitzukommen.
Noch am selben Tag geht Claudia mit ins Tageszentrum. Sie ist sehr erstaunt über den unerwarteten herzlichen Empfang. Die Leiterin, Frau Aurica, begrüsst die beiden Mädchen mit einem Lächeln, andere Kinder stürmen auf sie zu und umarmen sie fest. Claudia erlebt zum ersten Mal, wie es ist, angenommen und geliebt zu werden. Schüchtern fragt sie, ob sie wiederkommen darf.
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Magazin 11/24