«Ich habe Frostbeulen an den Füssen»

Leben auf den Strassen von Sofia

«Ich habe Frostbeulen an den Füssen, meine Strümpfe werden nass, und weil ich kein Ersatzpaar habe, werde ich krank.

Und dann stehe ich wieder vor einem neuen Problem: Ich habe kein Geld, um mir Medikamente zu kaufen.» Irina Vassileva, 59, hat früher als Krankenschwester in einigen grossen und angesehenen Krankenhäusern im bulgarischen Sofia gearbeitet. Dann wurde sie von Ihrem Mann aus dem Haus geworfen und ist seitdem obdachlos.

Jetzt sucht sie in Mülleimern nach Essbarem und sammelt Dosen, Plastikflaschen und Papier, um zu überleben. Sie hat ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet – und nun kein sicheres Zuhause mehr, in das sie am Ende eines langen Tages zurückkehren kann.

Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine typische Obdachlose; unordentliche Frisur und schmutzige, zerschlissene Kleidung. Auf den zweiten Blick fallen jedoch der Lippenstift und die Ohrringe auf, die sie immer noch trägt: Symbole, die auf die gepflegte Frau schliessen lassen, die sie einst war.

«Auf der Strasse zu leben ist sehr schwer», so Irina. «Ich glaube, ich stinke, aber ich kann nirgendwo duschen oder meine Kleidung waschen.» Am schlimmsten an der Obdachlosigkeit sind für Irina die Einsamkeit und die Kälte. Der Winter in Sofia ist hart, mit Schnee von Dezember bis Februar und Temperaturen, die häufig bis auf -15° C sinken.

Irina hat in einem Gebäude in einem verlassenen Gewerbegebiet Unterschlupf gefunden. Hier zieht es und ist kalt, und es gibt weder Wasser noch Strom. Sie ist zwar froh, einen Platz zum Schlafen gefunden zu haben, hat aber auch Angst, dass ihr ihre wenigen Habseligkeiten gestohlen werden könnten, und sie wurde auch schon mehrere Male überfallen.

Ich glaube, ich stinke, aber ich kann nirgendwo duschen oder meine Kleidung waschen.

Irina sieht sich als starke Frau, dennoch weint sie oft. Sie fühlt sich in diesem Kampf ums Überleben schwach und machtlos. Seit zwei Jahren wird sie im Rahmen des Projekts ‹Suppenbus› von Pro Adelphos in Sofia unterstützt und erhält nicht nur fünfmal pro Woche warme, gesunde Mahlzeiten, sondern auch Kleidung, Decken und Medikamente. Und sie hat Freunde gefunden, die ihr beistehen.

Irina ist Christin und die Bibelbotschaften, die sie beim Suppenbus hört, haben ihren Glauben und ihr Vertrauen in Gott gestärkt. Für sie ist der Suppenbus ein Ort, an dem sie nicht nur andere Menschen trifft, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben wie sie. In den professionellen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden von Pro Adelphos hat sie darüber hinaus treue Freunde gefunden, die sich um sie kümmern.

An manchen Tagen ist das Essen von Pro Adelphos ihre einzige Mahlzeit. An anderen Tagen geht sie hungrig ins Bett und wartet ungeduldig auf den nächsten Tag, an dem es wieder eine Mahlzeit von Pro Adelphos gibt. «Dieses Projekt ist eine grosse Hilfe für mich. Man könnte sagen, dank dem Suppenbus bin ich noch am Leben».

35'760

Letztes Jahr schöpften wir in Sofia 35‘760 Mahlzeiten für Obdachlose

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